Monika Gold, 2006
Ihr Atelier in Wetzikon bei Zürich war Teil einer Strumpffabrik. Wo früher Strumpfhosen verpackt wurden, macht sie heute Kunst. Beispielsweise die plakatgrossen Aquarellbilder, die konventionelle Vorstellungen von büttengeränderten Landschaftshelgen sprengen. «Aquarelle mit Büttenrand fürchten mich! Eigentlich sind Aquarelle etwas sehr Verbrauchtes.» Bemerkt sie und erfindet ihren eigenen zeitgemässen Zugang zu dieser Gattung. Frech experimentiert sie mit Farben und Materialien. Setzt Papiere zu Grossformaten zusammen, probiert was möglich ist und möglich ist vieles. Die grossen Formate fordern ihre eigene «Sprache». Anstatt mit kleinen Farbtübchen und Marderhaarpinseln zu arbeiten, klebt die Malerin mehrere Pinsel zu einem grossen zusammen, weil sie einzeln zu wenig hergeben. Die rauhe, saugfähige Papieroberfläche, dazu da, nasse, zerfliessende Farbe aufzunehmen, bearbeitet sie mit Lacken, die jede Oberfläche schliessen. Keine übliche Kombination für ein Aquarell. Doch sie weiss, was sie tut, schliesslich unterrichtete sie über 14 Jahre Aquarellieren an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich.
Jedoch auch nach all den Jahren fordert die Technik des Aquarellierens alles von ihr: «Für Aquarelle brauche ich Mut. Vor dem schneeweissen Blatt habe ich immer noch Herzklopfen. Jeder neue Farbfleck kann ein Bild zerstören oder erweitern. Korrigieren kann man nichts. Die Herausforderung ist bei grossen Formaten noch grösser, und ich bin mir nie sicher, ob ich es kann. Die Qualität steigt ja nicht automatisch mit der Ausdehnung des Formates!»
Luftig-leichte Bilder entstehen, anziehend, bunt, gross. Gegenständliches und Ungegenständliches wirken zusammen. Rundes spielt eine wichtige Rolle: Kreise, Kugeln, Bälle, Punkte, Blumen. «Tupfen holen mich immer wieder ein.», sagt die Emmenthalerin. «Lilly», das neueste Grossaquarell, ist schon verkauft.
Ursula Hürlimann ist Ästhetin. An ihr ist immer etwas Besonderes: Die eleganten langen Röcke, ihre knallrote Plastikuhr oder wie sie sich die Haare einseitig zum Knoten formt. Nach einer Ausbildung zur Kindergärtnerin begann sie ihre künstlerische Laufbahn als Werkstudentin an der Kunstgewerbeschule Zürich. Mit dem verstorbenen Maler und Bildhauer Walter Hürlimann, zog sie drei Kinder gross und entwickelte sich nebenher künstlerisch weiter.
Zweifel begegnen ihr immer wieder, aber sie sagt von sich: «In mir drin hat’s soviel, es drängt mich vorwärts zu machen.» Und obwohl viel unterwegs, ist sie gerne bei sich daheim: «In der Welt ‘rumzufahren, bringt mich durcheinander. Am Liebsten sitze ich auf der Türschwelle meines Hauses und schaue wie eine Besucherin, bin ein bisschen bei mir zu Besuch!»
Transparente runde rote Folien hängen in Drahtgerüsten an der Wand, das Sonnenlicht streift sie und projiziert rötlich-schwebende Lichtflecke auf die gegenüberliegende Mauer. Bunte Stanzreste aus Papier warten auf ihren Einsatz in anderen Zusammenhängen. Kugeln, früher «Pompons» genannt, rollen in verschiedenen Grössen über den Atelierboden. Aus Billigstplastiksäckchen werden sie in uralter Handarbeitsmanier hergestellt: Doppelte Kartonringe mit einem grossen Loch in der Mitte umwickelt man dicht mit den Bändern aus den Plastiksäcken, schneidet sie seitlich auf und formt die Pompons mit der Schere schön kugelig.
Verspielte Gegenstände bevölkern den Atelierraum und entfalten ihren Charme. Dinge faszinieren und inspirieren die Künstlerin. Sie sammelt, was sich auf den Strassen der Welt oder im Brockenhaus Wetzikon findet. Plastikblumen von einem südfranzösischen Friedhof, getrocknete Algen aus dem Atlantik, Windrädchen aus Bali – Materialien aus anderen Alltagen treffen sich in ihrem Atelier und werden irgendwann zu Objekten oder Installationen.
Es funktioniert wie Magnetismus – eine Idee zieht die zu ihr passenden Gegenstände an. Als kleine Erfindungenüberraschen sie uns in neuen, unerwarteten Kombinationen. «Pröbeln» nennt sie diese Arbeitsweise. Ihr dreidimensionales Schaffen sei sehr anders als das Aquarellieren. Oft entstünden Objektserien, was der Arbeit auch etwas Repetitives gebe.
Diese Kunst wächst langsam und die entstandenen Werke sind fragile Wesen. Viele dieser Installationen stehen später draussen in der Landschaft Wind und Wetter, Licht und Schatten ausgesetzt. Umwelteinflüsse dürfen sie verändern.
Die räumlichen Arbeiten werden in Ursula Hürlimanns Werk zunehmend wichtiger. Transparente Materialien wie Glas, Plexiglas und Farbfolien machen den Aufbau einsichtig. Die Formensprache wirkt ästhetisch verspielt und ist doch meist funktional begründet: «In meinen Arbeiten muss Ordnung spürbar sein. Formen haben Funktion. Das Grundgerüst ist sichtbar und gibt Halt. Klare Konstrukte halten gegen Überbordendes!» Allzu Klares jedoch langweilt Ursula Hürlimann, energisch sagt sie: «Ich könnte nie ein Leben lang Quadrate malen.» Immer wieder wirft sie alles über den Haufen, sprengt allzu Bekanntes. Grenzen interessieren sie zum Drüberhinausgehen. Wie ein Hund nehme sie eine Spur auf, bis es gut rieche. Während der Arbeit stellten sich dann immer wieder Glücksmomente ein, doch dann falle sie natürlich wieder aus dieser Wunderbarkeit heraus und müsse neu dahinter und dran bleiben, dranbleiben, dranbleiben…
Ursula Hürlimann sitzt auf der Schwelle ihres Hauses, schaut in den Garten und beobachtet die Prototypen ihre Werke im Dialog mit Licht und Schatten. Spontan sagt sie: «Am Liebsten würde ich aus der Malgestik heraus mit dem Pinsel direkt in die Luft malen. Farbe an sich abbilden, ohne jedes Trägermaterial einen hellgelben Pinselstrich schwebend leicht vor den blauen Himmel setzen!»