Rasenträume

2012, akku kunstkiste, Stadtpark Uster
Material: Schirmgestelle, Kunststoffröhrchen, Bälle, Saugnäpfe, Petflaschenkringel

Haben Sie schon einmal jemanden beim Träumen beobachtet? 

Das sind besondere Momente. Sie haben etwas Geheimnisvolles, auch etwas Intimes, da wir unvermittelt fremde Innenwelten erahnen. Da platzt man nicht einfach hinein; da ist Behutsamkeit angemessen, aus Respekt vor dem Träumenden und vor dem Traum. Denn Traumgebilde sind flüchtig.

Ursula Hürlimanns Installation Rasenträume in der akku kunstkiste im Stadtpark Uster verschleiert vorerst unseren Blick: Auf den beiden Glasscheiben an den Stirnseiten sind transparente Saugnäpfe mit Plastikringen angebracht. Zusammen mit den Spiegelreflexen vom Lichteinfall bewirken sie einen Moment des Anhaltens – Träume brauchen Schutzräume – und zugleich laden sie ein, näherzutreten und durch diesen verdichteten Raum hindurchzublicken.
Von der Decke hängt ein filigranes Gebilde aus Metallstäben, dazwischen hellrote Kugeln als Tupfer in einem Liniengeflecht. Zudem transparente Plastikröhrchen und -Plättchen als Kontrast zu den metallischen Verbindungen. Das Gebilde wirkt wie eine molekulare Struktur, die zu wachsen scheint. Wie eine Wolke hängt sie in der Kunstkiste und scheint über die Grenzen des Raumes hinaus zu wollen. Die Künstlerin Ursula Hürlimann (*1941) hat über den Rasen nachgedacht und widmet ihm ihre Sommer-Installation, die sowohl den Raum des Containers als auch dessen Standort im Stadtpark mit einbezieht.  
Nun: Wie soll Rasen sein? Der perfekte Rasen ist grün, dicht, robust und pflegeleicht, heisst es in der Gärtnersprache. Der perfekte Rasen muss aggressiv wachsen. Er muss  breite Wurzeln entwickeln und damit die Unkräuter verdrängen.
Aber will das der Rasen? Grün, dicht, robust und pflegeleicht sein? Vielleicht hat er ganz andere Träume: Leicht sein, luftig, raumgreifend. Nicht grün, sondern rot getupft. Nicht adrett rasiert, sondern üppig wuchernd. Nicht liegend, sondern fliegend, auf zu neuen Horizonten! 

Ursula Hürlimann, als Kunstschaffende vielfältig kreativ, ist abstrakte Aquarellmalerin auf Grossformaten und arbeitet seit rund 20 Jahren auch dreidimensional. Ihre Werke entstehen für Aussen- und Innenräume, und sie realisiert auch Aufträge für Kunst am Bau. Für ihre Arbeiten verwendet sie gerne gefundene Gegenstände und kunstferne Materialien. Daraus schafft sie Gebilde von klarer Ordnung, die unter Einwirkung von Licht und Schatten poetisch aufgeladen werden und die oft nur auf Zeit sind.     

Beim Werk Rasenträume sind es Metallspeichen von zerlegten Kinderschirmen, Teile von Petflaschen, von der Sonne gebleichte Plastikkugeln: Fundsachen, die vorher schon ein Leben hatten und hier ein neues Dasein bekommen. So kann dieser Kunstrasen über sich hinauswachsen und neue Geschichten erzählen. Seine Elemente verbinden sich zu etwas Grösserem. Und überall können neue Verbindungen entstehen, kann Wachstum und Bewegung weitergehen. Wie und wohin, ist offen – zumindest für uns, die Zaungäste im Wachzustand. Marietta Rohner, Kunsthistorikerin